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Presseschau

Kreile: Instrumentarium zur Piraterie-Bekämpfung in Deutschland „wenig hilfreich“

4. Mai 2009
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Im Interview mit dem medienpolitischen Magazin Promedia (Mai-Ausgabe) spricht Prof. Dr. Johannes Kreile, Geschäftsführer der Sektion TV der Produzentenallianz über Urheber- und Leistungssschutzrechte. „Für die Produzenten ist es wichtig,“ so Kreile, „dass im Internet Strukturen aufgebaut sind, die kostenpflichtige On Demand Angebote für den Nutzer ermöglichen. Damit einhergehen muss eine wirksame Pirateriebekämpfung, hier ist insbesondere die Bundesregierung gefordert, den Urhebern- und Leistungsschutzrechtsinhabern die notwendigen Instrumentarien an die Hand zu geben, um die Piraterie wirksam zu bekämpfen.“ Das derzeitige Instrumentarium in Deutschland mit dem komplizierten Weg über die  Gerichte im Hinblick auf die Ermittlung von IP Adressen sei „wenig hilfreich“.

Der Beitrag im Wortlaut:

  • Zahlreiche Medienunternehmen verfügen über Leistungsschutzrechte
  • Verlagen droht wegen der Einführung der E-Books Gefahr der Piraterie
  • VG Wort kann, anders als die Gema, keine Unterlassungsansprüche geltend machen

„Datenschutz versus Schutz des geistigen Eigentums“

  • Interview mit Prof. Dr. Johannes Kreile, Sektionsgeschäftsführer Fernsehen, Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V.

Während die Verleger ein gesetzliches Leistungsschutzrecht einfordern, das auch im Internet gelten soll, verfügen Fernsehsender, Filmproduzenten oder Musikproduzenten bereits über ein solches Recht und wenden es auch an, wie jüngste Auseinandersetzungen zwischen TV-Sendern und Suchmaschinen oder auch das Sperren von Musikvideos auf Youtube durch die Gema gezeigt haben. Wie Prof. Dr. Johannes Kreile, Urheberrechtler und Sektionsgeschäftsführer der ,Allianz Deutscher Produzenten“ im promedia-Interview erläutert, haben die TV Sender „gem. § 87 UrhG ein eigenes Leistungsschutzrecht. Das schließt auch das Recht ein, zu entscheiden, ob Programmangebote im Internet weitergesendet werden. Plattformen wie Zattoo, die über 50 TV Sender live über das Internet verbreiten, bedürfen natürlich der Zustimmung der Sender für dieses Angebot.“ Zu einem Vergleich zwischen den Rechtsansprüchen aus der Verwertung bei TV-Sendern, Produzenten und Verlagen, Fragen an Prof. Dr. Johannes Kreile.

promedia: Herr Kreile, Verlage fordern jetzt sogenannte Leistungsschutzrechte. Sind sie dem Urheberrecht gleichzusetzen?
Kreile: Während das Urheberrecht die persönlich geistige Schöpfung schützt, gewährt das Leistungsschutzrecht seinem Inhaber Schutz für die wirtschaftliche und organisatorische Leistung. Sowohl das Urheberrecht wie das Leistungsschutzrecht als verwandte Schutzrechte sind im Urhebergesetz geregelt. Das Leistungsschutzrecht steht z.B. den Filmherstellern für die wirtschaftlich und organisatorische Leistung im Rahmen des Filmherstellungsprozesses zu, ähnliches gilt für die Tonträgerhersteller, die Verlage haben aber kein eigenes Leistungsschutzrecht. Interessanterweise haben die Verlage bei Einführung des Urhebergesetzes im Jahr 1965 die Forderung nach einem eigenen Leistungsschutzrecht nicht erhoben, vielmehr haben sie sich seit vielen Jahren aufgrund schuldrechtlicher Verträge die Rechte der Autoren abtreten lassen und aus dieser Rechtsposition heraus agiert. Nunmehr folg ein gewisses Umdenken. Auch die Verlage erkennen, dass eine eigenständige Rechtsposition neben den abgeleiteten Rechten der Autoren für den Schutz der Werke wichtig sein kann.

promedia: Für welche Inhalte existieren solche Leistungsschutzrechte im Internet?
Kreile: Der Inhaber eines Leistungsschutzrechts, also z.B. der Filmproduzent, der Tonträgerhersteller, aber auch die Sender, die ebenfalls über eigene Leistungsschutzrechte verfügen, haben für dieses Recht ein eigenständiges Verbotsrecht, können also jede unberechtigte Nutzung untersagen. Dies gilt auch im Internet. Das heißt, wer im Internet nicht die erforderlichen Rechte vom Rechtsinhaber erwirbt, handelt urheberrechtswidrig. Es liegt der Fall von Piraterie vor.

promedia: Warum existiert ein solches Recht bisher für Verlage nicht?
Kreile: Der Schutz der verlegerischen Leistung wird nur über das Verlagsrecht als ein vom Autor abgeleitetes Recht gewährt. Das Verlagsgesetz regelt das Verlagsrecht als ein ausschließliches Nutzungsrecht des Verlegers. Hiernach hat der Autor dem Verleger das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes zu verschaffen (§ 8 Verlagsgesetz). Um eine ungestörte Ausübung dieser, also vom Urheber abgeleiteten Rechte zu ermöglichen, gesteht das Verlagsgesetz dem Verleger weitere Abwehrrechte einschließlich der Möglichkeit des Geltendmachens von Schadensersatz im Falle der Verletzung zu. Im Internet gibt es jedoch inzwischen Plattformen, aus denen z.B. Inhalte aus Schulbüchern unzulässigerweise zum download zur Verfügung gestellt werden. Hier würde den Verlagen ein eigenes Schutzrecht nützen. Während früher die Verleger noch geglaubt haben, durch das Verlagsgesetz ausreichend geschützt zu sein, setzt sich heute im Zeitalter der Digitalisierung die Erkenntnis durch, dass ein eigenständiges Leistungsschutzrecht für die Verlage wichtig wäre.

promedia: Warum ist das für die Verlage wichtig?
Kreile: Ein eigenständiges Verlagsrecht in Form eines Leistungsschutzrechtes würde die Rechtsposition des Verlegers insofern verbessern, als er im Verletzerprozess aus eigenem Recht vorgehen könnte und sich nicht nur auf abgeleitete Rechte berufen kann. In einem Prozess gegen einen Verletzer – bei Internetpiraterie ohnehin schwer genug – muss der Verleger im Zweifel auch das Bestehen des Verlagsrechts nachweisen, d.h. neben der Urheberschaft des Autors auch das wirksame Zustandekommen des Verlagsvertrages. Diesen muss er dann auch gegebenenfalls noch beweisen. Hier bieten sich für einen dem Verleger nicht wohl gesonnenen Gegner einige Angriffspunkte, gerade bei den für das Internet erforderlichen Rechten gem. § 19 a UrhG, also dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. In vielen alten Verlagsverträgen ist dieses Recht dem Verleger oft nicht eingeräumt worden.

promedia: Würden die Verlage so die unberechtigte Nutzung ihrer Inhalte, z.B. durch Suchmaschinen verhindern können?
Kreile: Durch Suchmaschinen können Verlage allenfalls die unberechtigte Nutzung erkennen, sie müssen jedoch dann die üblichen gerichtlichen Maßnahmen gegen die Verletzer, insbesondere auf Unterlassung, einleiten, sei es strafrechtlich, sei es zivilrechtlich. Aus der Praxis der Pirateriebekämpfung wissen wir  jedoch, dass das Vorgehen gegen Piraterie im Internet höchst mühsam, kompliziert und in vielen Fällen nicht erfolgreich ist. Dies beginnt schon damit, dass die Daten, wer hinter einer IP-Adresse steckt, nur im Falle von gewerblichen Verletzungen und dann auch nur auf richterliche Anordnung herausgegeben werden dürfen. Dies ist der Kernkonflikt in der digitalen Welt, nämlich Datenschutz versus Schutz des geistigen Eigentums.

promedia: Würde damit jede Verlinkung zu Verlagsseiten oder Nutzung von Verlagsinhalten kostenpflichtig  sein?
Kreile: Ob und inwieweit Verlage Angebote kostenlos oder gegen Entgelt im Netz anbieten ist alleine deren wirtschaftliche Entscheidung.

promedia: Wie ist ein solches Recht im Internet-Alltag durchsetzbar?
Kreile: Große seriöse Anbieter wie Google, Yahoo aber auch die Verlage achten das Urheberrecht auch im Internet. Piraten tun dies nicht. Die Musikindustrie ist seit vielen Jahren von der Piraterie betroffen, die Filmindustrie ebenfalls seit einigen Jahren. Für die Verlage droht nun wegen des E-Books ebenfalls diese Gefahr.

promedia: Müsste es dafür eine spezielle Verwertungsgesellschaft geben?
Kreile: Die Verlage haben mit der VG Wort bereits eine Verwertungsgesellschaft, in der sie vertreten sind. Allerdings kann die VG Wort keine Unterlassungsansprüche – anders als z.B. die Gema – geltend machen.

promedia: Wie wird das Leistungsschutzrecht für TV-Sender im Internet geregelt?
Kreile: Die TV Sender haben gem. § 87 UrhG ein eigenes Leistungsschutzrecht. Die schließt auch das Recht ein, zu entscheiden, ob Programmangebote im Internet weitergesendet werden. Plattformen wie Zattoo, die über 50 TV Sender live über das Internet verbreiten, bedürfen natürlich der Zustimmung der Sender für dieses Angebot.

promedia: Trifft das auch auf alle Formen von Web-TV zu?
Kreile: Produzenten wie Sender haben auch  im Internet alle ihre Rechte im Hinblick auf die Auswertung ihrer Rechte. Unberechtigte, d.h. nicht von Sendern oder Produzenten lizenzierte Angebote stellen Piraterie dar.

promedia: Produzenten wollen ihre Filme verstärkt im Internet verwerten. Wie sind diese Inhalte dann geschützt?
Kreile: Für die Produzenten ist es wichtig, dass im Internet Strukturen aufgebaut sind, die kostenpflichtige On Demand Angebote für den Nutzer ermöglichen. Damit einhergehen muss eine wirksame Pirateriebekämpfung, hier ist insbesondere die Bundesregierung gefordert, den Urhebern- und Leistungsschutzrechtsinhabern die notwendigen Instrumentarien an die Hand zu geben, um die Piraterie wirksam zu bekämpfen. Das derzeitige Instrumentarium in Deutschland mit dem komplizierten Weg über die  Gerichte im Hinblick auf die Ermittlung von IP Adressen ist hier wenig hilfreich. Frankreich beispielsweise ist in der Bekämpfung der Internetpiraterie bereits weiter.

promedia: Führt die strikte Anwendung von Leistungsschutzrechten zunehmend zu einem kostenpflichtigen Internet und damit zu einer besseren Refinanzierung der Inhalte?
Kreile: Jeder wirksame Schutz von Rechten, sei es Urheber, sei es Leistungsschutzrechte, ermöglicht entsprechende Geschäftsmodelle, die zu einer Einnahme bei den Rechteinhabern führen. Gerade in Zeiten der Digitalisierung und damit der Diversifizierung der Verbreitungswege benötigen Rechteinhaber und Produzenten jede Form der Refinanzierung.

promedia: Ist das Leistungsschutzrecht auch grenzüberschreitend durchsetzbar?
Kreile: Das Leistungsschutzrecht z.B. der Filmhersteller oder auch der Sender ist selbstverständlich grenzüberschreitend durchsetzbar, gerade die Europäische Union, aber auch das Welturheberrechtsabkommen und die revidierte Berner Übereinkunft bieten das erforderliche Instrumentarium, um die Rechte von Produzenten, aber auch den Urhebern durchzusetzen. (HH)

Aus: Promedia Nr. 5/2009, S. 43–44 – Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Promedia-Verlags.

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