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Presseschau

Martin Moszkowicz: „Ein funktionierendes Urheberrecht ist dringend nötig“

20. März 2012
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In einem Gastbeitrag im aktuellen Spiegel (Nr. 12/2012) führt Martin Moszkowizc, Filmvorstand der Constantin und Mitglied des Produzentenallianz-Gesamtvorstands, aus, warum ein effektiver Urheberrechtsschutz im Internet auch die Voraussetzung für eine funktionierende Filmwirtschaft ist – zum Nutzen der Verwerter und der Urheber.

Der Beitrag im Wortlaut:

DEBATTE

Digitales Freibier

Ein funktionierendes Urheberrecht ist dringend nötig.
Von Martin Moszkowicz

Wie kann, wie muss in der Internetära der Schutz der Urheberrechte gewährleistet werden? Oder soll es überhaupt keine Barrieren mehr geben, wie ein Teil der Netzgemeinde fordert? Vergangene Woche attackierte SPIEGEL-Autor Stefan Niggemeier die Verwertungsindustrie. Ihm antwortet einer der bekanntesten Filmproduzenten des Landes.

Ist das Urheberrecht die Erfindung einer profitgierigen Rechteindustrie? Ist das illegale Herunterladen von Filmen, Musik und Büchern legitim oder doch zumindest verständlich, weillegale Angebote künstlich verknappt und nur unzureichend zur Verfügung gestellt werden? Haben die Verwerter, also Verlage oder Plattenfirmen, nicht das Gemeinwohl im Sinn, sondern nur ihren Profit? Mit bemerkenswerter Ignoranz sprechen viele Netzaktivisten den Verwertern das Recht ab, mit Inhalten Geld zu verdienen. Die Argumentation dieser kleinen, aber lautstarken Gruppe lautet, dass die Vertriebsarbeit von Verlagen, Filmauswettern und Fernsehanstalten im Zeitalter des Internets nicht mehr notwendig sei. Es könne ja jeder direkt alle Inhalte aus dem Netz heraus konsumieren.

Der grundsätzliche Irrtum basiert auf der naiven Vorstellung, dass jedes Werk – egal ob Artikel, Buch, Song oder Film – nicht einzigartig ist, sondern heute von jedem konzipiert, hergestellt, vertrieben und verwertet werden kann. Jeder kann Künstler sein. Jeder könnte also auch zum Beispiel „Let it be“ schreiben – kann doch nicht so schwer sein! Auf jeden Fall ist es nicht so viel wert, dass man den Zugang dazu gegen Bezahlung einschränken sollte.

Deshalb ist aber das Netz voll von Videos tanzender Katzen und beißender Kleinkinder. Dieser „User-generated-Content“ wird milliardenfach konsumiert, gezahlt wird mit der Währung, die heute wertvoller ist als Gold: Aufmerksamkeit und persönliche Daten – am besten beides. Die irrwitzig hohen Bewertungen von Google, Facebook & Co. basieren darauf, dass dieses Geschäftsmodell unverändert weitergeführt werden kann.

Die Hersteller und Verwerter sollen also nichts von dem Kuchen abbekamen. Allenfalls die Urheber ein bisschen, aber dann nur direkt vom Konsumenten. Dass Google oder Facebook durch die Werbeschaltungen Milliardengewinne erzielen wie auch die Telekom-Konzerne durch die Gebühren fürs Netz, wird seltsamerweise von den Vertretern einer digitalen Freikultur nicht in Frage gestellt.

Unser Urheberrecht schützt jeden Urheber, also auch das beißende Baby beziehungsweise seine Eltern. Sie haben sich als Urheber zu einem kostenfreien Verwertungsweg entschlossen. Das ist ihr gutes Recht, denn das Urheberrecht hat nichts mit dem Schutz von Filmfirmen zum Beispiel und deren vermeintlicher Gewinnsucht zu tun. Im Gegenteil: Wenn Verlage, Musik-Labels und Filmfirmen künftig überflüssig werden sollten, weil die Autoren, Musiker und Filmemacher ihre Werke selbst herstellen und vermarkten, dann werden die Künstler umso mehr darauf angewiesen sein, dass ihre Werke geschützt werden. Denn auch das Recht zu entscheiden, wie die Verwertung stattfindet, ist nur mit einem funktionierenden Urheberrecht gewährleistet.

Als Filmproduzent bin ich eher nicht bereit, für das beißende Baby zu zahlen, sondern hoffe auf das einzigartige, das außergewöhnliche Werk. Dafür bin ich bereit, den Urheber, also Künstler, vorab zu bezahlen und ihn dann auch an der Verwertung zu beteiligen. Seine Vergütung misst sich an seinem Marktwert und seine Beteiligung an dem Erfolg seines Werks. Auch ein Künstler hat einen Marktwert, aber nur er als Urheber hat ein ausschließliches Recht an seinem Werk. Er trifft die Entscheidung über die Wiedergabe in der Öffentlichkeit. Er entscheidet, wann und wie und ob überhaupt mit seinem Werk Geld verdient wird – und er ist auch frei, es zu verschenken. Oder eben nicht.

Grundsätzlich werden von den Vorkämpfern einer digitalen Freikultur jedoch die Verwerter angegriffen, weil sie das Gemeinwohl nicht im Sinn hätten: Durch die neue Technologie müsse dem Kunden gegeben werden, was er für einen „fairen“ Preis hält, und zwar zu dem Zeitpunkt, den er sich wünscht. Bitte? Soll in Zukunft nicht der „Markt“, also das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, sondern der Kunde allein die Preise von Produkten bestimmen? Cool, oder? Wirklich? Es wird so getan, als würde die Diktatur durch den Kunden die Situation automatisch verbessern. Den Milchbauern ist das zum Beispiel gar nicht gut bekommen.

Das alleinige Argument für die Vergesellschaftung digitaler Inhalte ist also, dass das Urheberrecht dem Gemeinwohl dienen soll. Und wenn es ihm nicht freiwillig dient, hol ich’s mir selbst. Die billige Polemik, die gierigen Platten-, Filmfirmen und Verlage zum Sündenbock machen zu wollen, erinnert an die Rechtfertigung vom Teenager, der im Kaufhaus klaut: Es trifft ja nur die reichen Bonzen. Oder das Argument des Schwarzfahrers: Die U-Bahn fährt ja sowieso. In Wahrheit gibt es nur einen einzigen Grund, warum das Urheberrecht in Gefahr ist: Die neuen technischen Gegebenheiten machen es so leicht, es zu verletzen.

Natürlich muss sich das Urheberrecht neuen Herausforderungen und technischen Entwicklungen anpassen, was es seit Anbeginn auch kontinuierlich getan hat. Hätte nicht der Staat die Pflicht, bei einem versagenden Markt genau dann einzugreifen, wenn er die bestehende Situation verbessern kann? Eine entsprechende Anpassung des Urheberrechts steht zur Entscheidung an, liegt aber schon lange auf Eis, weil Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Dringlichkeit nicht erkennt.

Das Angebot legaler Möglichkeiten, Unterhaltung im Netz zu konsumieren, hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Trotzdem werden in Deutschland beim heimischen Filmkonsum weniger als fünf Prozent mit legalen Downloads umgesetzt. Gleichzeitig ist auch Musik weltweit zu historisch niedrigen Preisen erhältlich. Das Netz braucht also neue Geschäftsmodelle, aber solange der Preis von Plattformen wie Megaupload und Kino.to vorgegeben wird, die die Inhalte zum eigenen Gewinn, aber ohne Beteiligung von Urhebern, Herstellern und Verwertern verbreiten, wird das nicht möglich sein.

Ohne rechtliche Rahmenbedingungen, die mit der technologischen Entwicklung Schritt halten und die es Urhebern und Verwertern ermöglichen, ihre Produkte effektiv zu schützen, schreitet die Gratis-Mentalität weiter voran. Und das Unrechtsbewusstsein schwindet. Viele nehmen inzwischen den Gratis-Download als ihr gutes Recht wahr, das es gegen die sogenannte Content-Mafia zu verteidigen gilt. Diese Haltung hat mit entsprechender publizistischer Begleitung eine ungeheure Eigendynamik entfaltet bis hin zu einer eigenen Partei, deren Name den Internetdatenklau romantisch verklärt, und einer populistischen Sogwirkung bis weit in die etablierten Parteien hinein.

Verständlich ist ja, dass die digitale Variante von „Freibier jederzeit und für alle“ unwiderstehlich verlockend ist. Doch gleichzeitig ist offensichtlich, dass diese Rechnung nicht aufgehen und es am Ende gar kein Bier mehr geben kann.

Moszkowicz, 53, ist Filmproduzent („Das Parfum“, „Die Päpstin“, „Wickie“) und sitzt im Vorstand der Münchner Constantin Film AG.

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