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Presseschau

Kartellamt verbietet Bundesliga-Vermarktungspläne: Reaktionen, Analysen

25. Juli 2008
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„Schienenbein-Tritt“ nennt Florian Treiß beim Medien-Informationsdienst turi2 den Stopp von Leo Kirchs Bundesliga-Vermarktungsplänen durch das Bundeskartellamt. Der finde ein sehr unterschiedliches – und überraschendes – Medien-Echo: Die konservative Frankfurter Allgemeine beklatsche auf Seite 1 den „Gewinn für die Fans“, und „ausgerechnet“ die linksliberale Süddeutsche Zeitung kritisiere die „Lex Sportschau“. Das letzte Wort scheine aber noch nicht gesprochen – DFL und Kirch könnten gegen die Entscheidung klagen: „Rote Karte für Leos Fußball-Pläne entzweit die Kommentatoren“

Was die Deutsche Fußball Liga (DFL) als verheerenden Rückschlag beschreibt, sei für die Fernsehzuschauer ein Grund zur Freude, schreibt Jörg Hahn in der Frankfurter Allgemeinen: Weil das Bundeskartellamt das geplante Vermarktungsmodell für den deutschen Profifußball zurückweist, werde vieles so bleiben (müssen), wie es der Fan liebgewonnen hat: „Gewinn für die Fans“ (frei zugänglich)

Im Tagesspiegel begrüßt Joachim Huber die Entscheidung: Die Stadien würden von der Allgemeinheit bezahlt, ebenso der Einsatz der Polizei an den Spielwochenenden. Da hielten sich die Klubs fein raus. „Die Kosten sozialisieren, die Einnahmen monopolisieren“ – das müsse außer den Nutznießern keiner verstehen. Das Kartellamt habe gar nichts gegen eine lukrative Vermarktung, nur soll der Verbraucher nicht immer der Dumme sein: „Geldgier im Spiel“ (frei zugänglich)

In der Süddeutschen Zeitung schreibt Caspar Busse, alles laufe nun auf die Zementierung des derzeitigen Zustandes hinaus: Die Sportschau der öffentlich-rechtlichen ARD könne sich neben dem Bezahlsender Premiere gute Chancen auf den Zuschlag ausrechnen, die ARD werde erneut die Privatsender überbieten, denn sie finanziere sich mit Gebührengeldern und nicht über Werbung. Das Kartellamt sorge damit für weniger, statt für mehr Wettbewerb: „Lex Sportschau“ (frei zugänglich)

Wenig begeistert ist auch Thomas Knüwer im Handelsblatt. Das Kartellamt fordere eine Ausstrahlung der Bundesliga-Zusammenfassung im frei empfangbaren TV vor 20 Uhr, weil nur so der Zuschauer ausreichend beteiligt sei und nur bei ausreichender Beteiligung die zentrale Vermarktung der Fernsehrechte hinnehmbar sei. Diese Argumentationskette, so Knüwer, sei „krude, unzeitgemäß und lässt eine Besonderheit des Sportgeschäfts außen vor“: Hier könne eine Branche nur funktionieren, wenn ihre Beteiligten im sportlichen Wettbewerb konkurrieren, sich in der externen Vermarktung aber zusammentun: „Markt im Abseits“

In den Financial Times Deutschland widmet sich Lutz Knappmann besonders dem „spektakulären Comeback des Medienzaren Leo Kirch“, das mit der Kartellamts-Entscheidung „höchstwahrscheinlich enden“ dürfte, bevor es richtig losgegangen ist. Zur Trennung der DFL von Leo Kirch gebe es nun kaum eine Alternative: „Bye bye Kirch“ (frei zugänglich)

Nach der Entscheidung des Bundeskartellamts dürfte Kirchs Garantie, der DFL  für sechs Spielzeiten 500 Millionen pro Jahr zu zahlen, „nicht mehr viel wert“ sein, schreibt Kai-Hinrich Renner in der Welt, gibt aber zu bedenken, dass Kirch „schon ganz andere Schlachten geschlagen“ habe. Für „den Sprecher von Leo Kirch“ sei die Sache jedenfalls noch längst nicht gelaufen: „Schau’n mer mal. Der Ball ist rund, das Spiel dauert 90 Minuten – und manchmal auch länger“, habe der am Donnerstag gesagt: „Leo Kirch gibt sich noch nicht geschlagen“ (frei zugänglich)

Auch Klaus Raab in der tageszeitung ist nicht sicher, ob Leo Kirch damit nun am Ende ist. Allen, die ihn nun abschreiben, müsse aber gesagt werden: „Dass er alle Möglichkeiten prüfen wird, wie er doch noch, durch die Hintertür, im Fußball-Fernsehrechte-Handel mitmischen kann, davon kann man wohl ausgehen“ – „Kirch-Comeback vorerst gescheitert“ (frei zugänglich)

In der Frankfurter Rundschau hat Wolfgang Hettfleisch Reaktionen auf die Kartellamtsentscheidung gesammelt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während die Verantwortlichen der Fußball-Bundesligisten mit Empörung auf das Einschreiten der Bonner Behörde gegen die Zentralvermarktung reagiert hätten, habe WDR-Intendantin Monika Piel gejubelt: „Das ist ein guter Tag für den Fußball“ (frei zugänglich)

Auf der Medienseite der Frankfurter Allgemeinen beschreibt Jochen Hieber verschiedene Reaktionen auf die Entscheidung und kommt „jenseits aller Rhetorik“ auch zu dem Schluss, dass sich die Proficlubs der ersten und zweiten Liga wohl damit abfinden müssten, dass sich ihre Einnahmen aus dem Fernsehgeschäft nur mäßig erhöhen werden, wenn überhaupt. Keineswegs sicher sei, ob Deutschlands Vereinsfußball trotz des Status quo in Sachen Fernsehvermarktung (und jenseits von Bayern München) alsbald wieder Anschluss an die europäische Spitze finden werde: „Ein Status quo der heißen Herzen“ (frei zugänglich)

Die Kartellamt-Entscheidung habe ihre guten Seiten – auch wenn das mancher Funktionär nicht wahrhaben mag, schreibt Anna Marohn bei Zeit online. DFL-Chef Christian Seifert habe gesagt, nur auf den ersten Blick sei das ein Sieg für die Fans, aber langfristig würden sie „darben“, weil die deutschen Clubs Spitzenfußballer nicht bezahlen könnten. Noch weiter habe es der DFB-Chef Theo Zwanziger  getrieben, der gesagt habe. die 80 Millionen Euro, die man weniger einnehme, würden künftig unter anderem „für gemeinnützige Zwecke“ fehlen: „Bolzplätze in Gefahr“ (frei zugänglich)

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